"Trenne dich nie von deinen Illusionen und Träumen. Wenn sie verschwunden sind, wirst du zwar weiter existieren, aber aufgehört haben, zu leben." - Mark Twain

Donnerstag, 2. Mai 2013

Zambaramba


Es war ein lauer Nachmittag im Spätsommer. Wie immer um diese Tageszeit saß er in dem von ihm präferierten Café in der Weststadt und studierte die hiesige Tageszeitung.

Doch plötzlich, wie aus dem Nichts, sprang ein ihm unbekannter Mann um die Ecke und rief, wohlgemerkt mit voller Inbrunst:

„Zambaaarambaaaaaaaaaaaaa!“

Gleichzeitig begann der Mann, sich rhythmisch zu einer nicht vorhandenen Musik zu bewegen.

Dieses Szenario, das er mit einem Stirnrunzeln verfolgte, ereignete sich in unmittelbarer Nähe zu seinem Tisch. Er war verwundert. Was hatte das zu bedeuten? Es war nicht etwa der Auftritt an sich, der ihn ins Erstaunen versetzte, sondern vielmehr die Wortwahl des unbekannten Mannes. Warum sagte er ‚Zambaramba‘ und nicht ‚Rambazamba‘ wie es doch eigentlich hieß? Hatte er sich nur versprochen und das R und das Z miteinander vertauscht? Oder wurde dieser Fehler etwa in voller Absicht begangen? Es war ihm äußerst suspekt.


Schließlich fasste er den Beschluss, den Mann anzusprechen:
„Zambaramba? Was soll denn das heißen? Meinen Sie etwa ‚Rambazamba‘? Falls ja: Es heißt ‚Rambazamba‘. Und nicht ‚Zambaramba‘.“

Der Mann blieb stehen und schaute ihn mit großen Augen an.

„Zambaaarambaaaaaaaaaaaaa!“, rief er in der gleichen Lautstärke wie zuvor, während er erneut in seinen rhythmischen Tanz zu einer weiterhin nicht vorhandenen Musik verfiel.

Wie kam dieser Mann nur auf die Idee, dass das Wort ‚Zambaramba‘ heißen sollte? Nach seinem Kenntnisstand gab es ein solches Wort nicht. Aber er wollte sichergehen. Deshalb tippte er seinen Nebenmann an, der von dem Spektakel bislang offenbar gar keine Notiz genommen hatte.
„Entschuldigen Sie, ich habe eine kurze Frage. Dieser Mann hier behauptet steif und fest, dass es ‚Zambaramba‘ heißt. Dabei heißt es doch ‚Rambazamba‘. Das Wort ‚Zambaramba‘ gibt es schließlich gar nicht, oder?“

Der von ihm angetippte Mann schaute ihn mit großen Augen an.

„Zambaaarambaaaaaaaaaaaaa!“, rief er. Zeitgleich erhob er sich von seinem Platz und begann sich ebenfalls zu der bereits erwähnten, nicht vorhandenen Musik zu bewegen.

Er verdrehte die Augen. Offenbar vertrat auch dieser Mann die irrtümliche Meinung, dass es ‚Zambaramba‘ hieß. Er war gewillt, sich wieder seiner Tageszeitung zuzuwenden, doch er konnte sich aufgrund dieses augenscheinlichen Fehlers nicht mehr recht konzentrieren. Er musste noch eine weitere Person konsultieren. So machte er eine vernünftig aussehende Frau auf sich aufmerksam, die nicht weit von ihm entfernt saß.
„Entschuldigen Sie, ich habe eine kurze Frage. Diese beiden Männer hier behaupten allen Ernstes, dass es ‚Zambaramba‘ heißt. Dabei heißt es doch ‚Rambazamba‘. Ist das nicht lächerlich? Schließlich ist es doch offensichtlich, dass es ‚Rambazamba‘ heißt, oder?“

Die von ihm angesprochene Frau schaute ihn mit großen Augen an. Er ahnte es bereits.

„Zambaaarambaaaaaaaaaaaaa!“, rief sie. Und schon stimmte sie in den rhythmischen Tanz der beiden Männer mit ein, immer noch der bereits bekannten, jedoch nicht vorhandenen Musik folgend.

Er wurde wütend. Wie konnten sich diese drei Personen nur anmaßen, das Wort derart falsch zu verwenden? ‚Rambazamba‘ – so hieß das Wort doch schon immer, wieso wurde diese unnötige Änderung vorgenommen? Oder handelte es sich gar nicht um eine Änderung? Existierte womöglich tatsächlich das Wort ‚Zambaramba‘ und es war ihm bislang nur noch nicht zu Ohren gekommen? Nein, das war Unsinn. Das Wort ‚Zambaramba‘ gab es noch nie, gibt es nicht und wird es auch nie geben. Basta.

Von seinen eigenen Gedanken bestärkt, erhob er sich wutentbrannt von seinem Platz und rief in einer derartigen Lautstärke, dass es alle Gäste des Cafés vernehmen konnten:
„Aufhören! Hört auf damit! Das Wort ‚Zambaramba‘ gibt es nicht!  Das ist gar kein richtiges Wort! Dieser Mann hier hat es sich ausgedacht, um Verwirrung zu stiften! Es heißt ‚Rambazamba‘! Rambazamba! Ihr wollt doch nicht auf ihn reinfallen, oder?“


Er blickte sich um. Allseits wurde er mit großen Augen angeschaut. Es kam, wie es kommen musste:

„Zambaaarambaaaaaaaaaaaaa!“, ertönte es aus einer Ecke.
„Zambaaarambaaaaaaaaaaaaa!“, war in einer zweiten zu hören.
„Zambaaarambaaaaaaaaaaaaa!“, „Zambaaarambaaaaaaaaaaaaa!“,
„Zambaaarambaaaaaaaaaaaaa!“, erschallte es rings um ihn herum.
Währenddessen standen nach und nach alle Gäste des Cafés auf und fingen an, sich zu ebenjener nicht vorhandenen Musik zu bewegen, die inzwischen hinlänglich bekannt sein sollte.

Er war verwirrt. Er wusste nicht, wie er auf das bunte Treiben um ihn herum reagieren sollte und suchte verzweifelt nach einer Lösung für diese prekäre Situation. Doch als er nur einen kurzen Moment lang nicht nachdachte, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Es hieß ‚Zambaramba‘. Es musste ‚Zambaramba‘ heißen. Wie hatte er nur denken können, dass es... Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie er das Wort vorher fälschlicherweise bezeichnet hatte. Doch das war nun nicht mehr von Belang.

„Zambaaarambaaaaaaaaaaaaa!“, rief er mit voller Inbrunst.

Und endlich, endlich hörte er die nicht vorhandene Musik, zu der er sich rhythmisch zu bewegen begann.

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