"Trenne dich nie von deinen Illusionen und Träumen. Wenn sie verschwunden sind, wirst du zwar weiter existieren, aber aufgehört haben, zu leben." - Mark Twain

Mittwoch, 8. September 2010

Als nicht mehr allzu viel Milch im Kühlschrank war

Es war die Nacht von Sonntag auf Montag, als er in seinem Bett lag und nicht versuchte, einzuschlafen. Er versuchte es nicht einmal, es zu versuchen.
Er konnte ein leises Schnaufen vernehmen. Sie war bereits eingeschlafen. Ohne jeden Zweifel. Als er damit fertig war, nachdenklich auf die Wand zu starren, bemerkte er plötzlich, dass er auf die Toilette musste. Das Knarren des Bettes ließ die Augen seiner Frau langsam aufschlagen.
„Wo gehst du hin?“ fragte sie mit schlaftrunkenem Gesicht und kratzigen Tonfall.
„Toilette“ antwortete er, als er den Türgriff behutsam herunterdrückte.
Als er gerade in das Badezimmer eintreten wollte, hielt er inne und spielte mit dem Gedanken, zuvor noch einen kurzen Abstecher in die Küche zu machen, um seinen Durst zu stillen. „Ein Glas Milch wäre jetzt genau das richtige“ sagte er sich und marschierte über den Flur bis zur Küche. Beim Öffnen des Kühlschranks musste er jedoch bedauerlicherweise feststellen, dass nicht mehr allzu viel Milch vorhanden war, sodass es zu bezweifeln war, ob sie noch für den morgendlichen Kaffee seiner Frau reichen würde. Da fiel ihm eine Flasche Bier ins Auge, die er vor einiger Zeit in den Kühlschrank geräumt hatte. Er griff zum Flaschenöffner. Er trank das Bier nicht in einem Zug, sondern teilte es sich in drei oder vier Schlucke ein.

Nicht ein einziges Mal konnte sie den sonst so unüberhörbaren Schnarchton vernehmen. Er war immer noch wach. Ohne jeden Zweifel. Als sie es wagte, die Augen ein wenig zu öffnen, bemerkte sie, dass er nachdenklich auf die Wand starrte. Das Knarren des Bettes war Anlass genug, die Augen aufzuschlagen.
„Wo gehst du hin?“ fragte sie mit dem Bestreben, ein schläfriges Gesicht zu machen.
„Toilette“ antwortete er, als er die Tür aufriss.
Sie hörte, wie er über den Flur trampelte. Später war das Klirren von Flaschen zu vernehmen. Mehrmals. Die Geräusche kamen aus der Küche.


Er war bemüht, möglichst leise in das Schlafzimmer einzutreten.
Gerade eben hatte er sich erst hingelegt, als das Licht anging.
„Wo bist du so lange gewesen?“ fragte sie.
Er dachte eine kurze Zeit lang nach.
„Verstopfung“ antwortete er.
Sie schaute ihn einige Sekunden lang an und machte das Licht daraufhin wieder aus. Als er gerade dabei war, zufrieden in seinem Bett zu liegen, bemerkte er plötzlich, dass er auf die Toilette musste.

Nach einer Stunde hörte sie ihn über den Flur wanken. Er knallte die Tür zu, stolperte durch den dunklen Raum und plumpste schließlich ins Bett. Sie entschloss sich, ihn anzusprechen.
„Schatz?“ wisperte sie.
Sie bekam keine Antwort. Das röchelnde Schnarchen verriet ihr, dass er eingeschlafen war.
„Schatz?“ flüsterte sie und zupfte ihn am Ärmel seines Nachthemds.
Sie machte das Licht an.
„Wo bist du so lange gewesen?“
Er dachte nach.
„Äh… Värschtopfung“ stammelte er.
Sie schaute ihn einige Sekunden vorwurfsvoll an und wollte ihm deutlich machen, dass sie seine Lüge durchschaut hatte. Schließlich gab sie es auf, machte das Licht wieder aus und ging ins Bett zurück.


Er tapste regelrecht über den Flur. Er konnte sich vor Müdigkeit kaum aufrecht halten, doch der Drang, sich zu erleichtern, war groß. Erleichtert war er auch, als die Toilette endlich in Sichtweite kam.
Plötzlich stand seine Frau an der Tür.
„Wieso?“ fragte sie.
„Nun, es war nicht mehr allzu Milch im…“
Sie unterbrach ihn und sagte ihm irgendetwas, doch er konnte es nicht mehr verstehen. Es war anscheinend wieder eine Frage. Er dachte sich die nächstbeste Antwort aus: „Weil ich dich liebe.“

Sie entschloss sich, ihm zu folgen.
Er beugte sich gerade über die Toilette, als sie in das Badezimmer eintrat.
„Wieso?“ fragte sie und starrte ihn kopfschüttelnd an.
„E-ess wa nisch mä so fiel Milsch imm…“
„Wieso wirfst du dein Leben einfach so weg?“
„Wail isch düch liebä.“
„Weil ich dich liebe“ wiederholte sie konsterniert und verließ das Badezimmer.


Es war bereits Morgen, als sie aufwachte. Er lag schnarchend und stinkend neben ihr. Sie stand auf und ging über den Flur bis in die Küche. Nachdem sie die Flaschen beiseite geschoben hatte, setzte sie sich an den Tisch. Sie steckte sich eine Zigarette an und trank eine Tasse Kaffee. Schwarz, wie immer.

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